Rezension zu: Migge, Björn: Handbuch Coaching und Beratung. Wirkungsvolle Modelle, kommentierte Falldarstellungen, zahlreiche Übungen, Weinheim und Basel 2005.

Verlag: Beltz Verlag.

ISBN 3-407-36431-8

Preis: € 49,90.

Schlüsselbegriffe

Zielgruppe

Das Wichtigste in Kürze

Besprechung

Gesamteindruck

Aus dem Inhaltsverzeichnis

Schlüsselbegriffe:

Coaching, psychologische Beratung, Lebensberatung

Zielgruppe:

BeraterInnen, SeelsorgerInnen, Trainer, Coaches

Das Wichtigste in Kürze:

Methoden und Techniken psychologisch orientierter Lebensberatung sind vielseitig und vielschichtig. Es ist deshalb verständlich, dass viele Berater und Coaches sich einem Konzept anschließen oder ein Sammelsurium verschiedener Ansätze anwenden. Björn Migges Handbuch bietet einen fundierten und undogmatischen Überblick über gängige Modelle der Beratung und deren Anwendungen. Er ermöglicht den Leserinnen und Lesern eine reflektierte Auseinandersetzung und Aneignung für die eigene Praxis. Es eignet sich daher als Lehrbuch sowohl für angehende Berater und Coaches als auch für alle, die in ihrem Beruf andere Menschen beraten, wie z.B. in der Pflege Tätige.

Besprechung:

Beratende Tätigkeiten wurden in der Pflege lange Zeit als nebensächlich betrachtet. Der Fokus lag auf der Professionalisierung traditioneller pflegerischer Handlungen und weniger auf der Ausbildung und Verfeinerung sprachlicher Handlungen, die den Pflegeprozess begleiten. Die Bedeutung sprachlichen Handelns (Austin) für das Wohlergehen des Patienten und seine Genesung wurde unterschätzt und dem intuitiven Wissen und Können der Pflegenden überlassen. Erst in neuerer Zeit wird dieses Feld intensiver wahrgenommen und in vielen Untersuchungen und Publikationen für die Pflege aufgearbeitet. Dabei kann auf detailliert ausgearbeitete Konzepte zurückgegriffen werden. Neben speziell auf den Pflegealltag zugeschnittenen Schulungs- und Fortbildungsmaterialien, empfiehlt sich auch ein offener Blick auf das weite Feld der Beratung, zumal dort die relevanten Konzepte entwickelt und erprobt wurden und werden.

Björn Migge legt mit seinem Handbuch Coaching und Beratung einen Leitfaden vor, der relevante Tools für die Beratung zusammenstellt, erläutert, auf praktische Fälle überträgt und in Übungen und Fall-Vignetten sowie ausführlichen Falldarstellungen vertieft. Der Text des Buches geht auf Schulungsunterlagen zurück, die der Autor in Kursen seines Trainingsinstitutes für Coaching und psychologische Lebensberatung eingesetzt hat. Dieser Ursprung ist den Texten oft noch an den zuweilen am mündlichen Vortrag orientierten Formulierungen anzumerken und macht die Ausführungen leicht lesbar und auch für Einsteiger gut nachvollziehbar. Ziel ist, künftigen Beratern notwendiges Know-How zu vermitteln um sie so auf den Coaching-Alltag vorzubereiten. Das Handbuch „wendet sich in erster Linie an psychosoziale Berater, die nicht die staatliche Erlaubnis haben, Psychotherapie auszuüben.“ (23) Darüber hinaus soll das Werk als Nachschlagewerk für erfahrene Berater dienen und auch praktizierenden Heilpraktikern und Psychotherapeuten Anregungen für die täglich Arbeit liefern. Insofern spannt Migge einen weiten Bogen:

● es reicht von grundsätzlichen Begriffsklärungen wie z.B. Was ist Coaching?, Psychologie der Kommunikation, Was ist neurolinguistische Programmierung (NLP)? etc. über

● die Darstellung wichtiger Konzepte wie Persönlchkeitstheorien, und

● Themenfelder der psychologischen Lebensberatung wie Paare und Familien, Gesundheit, Karriere und Team, sowie

● die Betrachtung von Problemkomplexen wie Krisen und Umbrüche, Konflikte und Konfliktarbeit bis hin zu

● praktischen Empfehlungen im Zusammenhang mit einer beruflichen Selbständigkeit als Coach oder Berater reicht.

Migge verzichtet darauf, den Lesern ein Patentrezept für erfolgreiche Beratung vorzustellen. Es wird keine lizenzierte Methode, wie es auf dem Berater- und Coachingmarkt auch anzutreffen ist, in den Vordergrund gestellt. Vielmehr setzt der Autor auf die Urteilskraft seiner LeserInnen und bindet sie durch zahlreiche Übungen in den Aneignungs- und Beurteilungsprozess aktiv ein. Dabei kommt immer wieder der Respekt vor den unterschiedlichen Konzepten zum Ausdruck, die richtig angewandt, gute Dienste leiste können. Allerdings soll der Anwender selbst die Leistungsfähigkeit einzelner Methoden ausloten und situationsgerecht zur Anwendung bringen.

Im Kapitel „Ziele und Visionen im Coaching“ stellt Migge z.B. folgende Übungsfragen: „ Was sind Ihre Glaubenssätze zur Zielvermeidung? Welche Ziele lassen Sie aus Angst fallen? Was würde sich negativ verändern, wenn Sie das Ziel erreichen? Was müsste vorher sichergestellte werden? Wer müssten Sie sein, damit das Ziel erreicht werden darf? Wie müsste sich Ihre Beziehung zur Familie oder was müsste sich in der Partnerschaft ändern, damit das Ziel erreicht werden darf?“ (102) Damit ermutigt das Buch zum Selbstcoaching oder Selbstversuch und knüpft an die Tradition von Selbst- und Lehranalysen der Freudschen Psychoanalyse an. Dem Berater wird damit die Möglichkeit eröffnet, eine persönliche Affinität zu seiner Tätigkeit zu entwickeln und den Klienten ein Gesprächspartner zu sein, der nicht lediglich theoretische Konzepte überstülpen möchte.

Besonders wertvolle Bausteine auf diesem Weg zum kompetenten Lebensberater stellen die Übungen und Fall-Vignetten sowie die ausführlichen Falldarstellungen dar – sie bilden deshalb zu Recht gut ein Drittel des gesamten Buches. Die darin vorgestellten, teilweise aufwühlenden Fälle führen plastisch vor Augen, worin die Aufgabe eines Beraters besteht und wie vielfältig menschliche Problemlagen sein können. Gerade darin wird deutlich, dass sich Coaching oft an der Grenze zur Therapie pathologischer Fälle bewegt – die freilich im nichttherapeutischen Coaching aus berufsrechtlichen und Kompetenz-Gründen nicht überschritten werden darf. Migges Hinweis, die Übungen und Fall-Vignetten im Gespräch mit einem oder mehrerer Partner zu diskutieren, ist unbedingt zuzustimmen und zu empfehlen.

Methodisch geschickt führt Migge vor Augen, dass eine systematische Anamnese für eine gelingende Beratung unerlässlich ist. Auch hier orientiert sich der Autor an bewährten Standards der Psychiatrie und Psychotherapie, was – wird das Buch ernsthaft durchgearbeitet – zu einer Professionalisierung der psychologisch orientierte Beratung und des Coaching beitragen dürfte. Das Buch ist deshalb jedem, der sich als Berater oder Coach selbstständig machen möchten, unbedingt ans Herz zu legen. Darüber hinaus ist es auch dazu geeignet, die eigene Persönlichkeitsentwicklung voranzutreiben.

Pflegende finden in dem Werk hilfreiche Modelle der Gesprächsführung und Anregungen, wie sie ihre Patienten bei der Bewältigung ihrer Krankheiten begleiten und unterstützen können. Allerdings müssen gerade Nutzer aus diesem Bereich selbst gewisse Transferleistungen in den eigenen Arbeitsalltag leisten.

Gesamteindruck:

Es handelt sich um ein gut lesbares, für angehende Berater lehrreiches und für Selbsterfahrungen reichhaltiges Buch, dessen Anschaffung sehr zu empfehlen ist. Eine weiterführende Literaturliste rundet das Werk ab.

Aus dem Inhaltsverzeichnis:

Teil 1: Definitionen und Kommunikation – Was ist Coaching?, Praktische Kommunikation für Coaches, Hypnotische Sprachmuster

Teil 2: Ziele, Visionen, Persönlichkeit – Ziele und Visionen im Coaching, Persönlichkeit und Subjektivität

Teil 3: Kognitives Umstrukturieren – Werte, Überzeugungen, Umdeutungen, Subjektive Wirklichkeiten, Träume und Tagträume

Teil 4: Paare und Familien – Familie, Liebe, Partnerschaft

Teil 5: Gesundheit, Karriere und Team – Gesundheitsstörungen im Coaching, Beruf und Karriere, Team und Gruppe

Teil 6: Systemische Konzepte in der Beratung – Theorie der systemische Beratung, Aktionsmethoden in der Beratung

Teil 7: Krisen und Umbrüche – Glauben und Spiritualität, Angst, Krisen und Traumata

Teil 8: Konflikte und Konfliktarbeit – Konflikte und Mediation, Systemische Fragen in der Konfliktarbeit

Teil 9: Selbstdarstellung und Selbstbild als Coach – Evaluation der Beratung, Selbständig als Coach, Checkliste und Fragen

Rezension von: Holger Rohde

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